Hinter den Kulissen, Teil 5: Lizenzeinkauf

Liebe Leserinnen und Leser,

für uns als Verlag ist die Zusammenstellung des Programms eine der wichtigsten Aufgaben des alltäglichen Geschäfts – schließlich sind es unsere Bücher, die den Splitter Verlag definieren. Darum wollen wir euch in dieser Ausgabe einen kleinen Einblick geben, wie die Comics zu uns kommen, oder genauer: wie unser Lizenzeinkauf funktioniert.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwischen Auslandslizenzen, die bei Splitter den Großteil des Programms ausmachen, und deutschen Eigenproduktionen wie »Malcolm Max«. Auf letztere gehen wir hier nicht ein (freut euch auf einen der kommenden Blicke hinter die Kulissen). Lizenzen, die wir bei ausländischen Verlagen oder Agenturen einkaufen, umfassen die Rechte zur Übersetzung eines Comics, zur Produktion des entsprechenden Buchs sowie zum Vertrieb und Verkauf des Endprodukts. Zahlreiche sonstige Eckdaten wie Auflagen-, Provisions- und Vorschusshöhe werden ebenfalls vertraglich festgehalten, sind aber ziemlich trockene Bürokratie.

Viel interessanter ist, wie wir vor der Vertragsunterzeichnung auf all die wunderbaren Comics aufmerksam werden! Das passiert auf verschiedene Weisen:

1. Lizenzkataloge/-newsletter
Die meisten Auslandsverlage und Literaturagenturen versenden in regelmäßigen Abständen Kataloge ihrer Neuerscheinungen und Projekte, mit denen sie potentielle Lizenznehmer auf den Geschmack bringen wollen, diese einzukaufen. Machen wir übrigens genauso, und einige unserer deutschen Eigenproduktionen wurden inzwischen auch von ausländischen Verlagen übersetzt und herausgegeben.

2. Redaktionsrecherche
Wir selbst haben natürlich auch ein Auge und ein Ohr auf den weltweiten Comicmarkt, lesen Blogs und folgen Kreativen auf Sozialen Medien, und oft genug werden wir so auf Projekte aufmerksam, die uns begeistern. Mitunter gelangen dadurch besonders spannende Comics ins Programm, so zum Beispiel die Neuausgabe von Richard Corbens »Mutantenwelt«, die wir durch die Kickstarter-Kampagne der Autoren entdeckt haben.

3. Fanvorschläge
Last but not least erreichen uns natürlich auch zahlreiche Wünsche und Vorschläge unserer Lesegemeinschaft, und auch wenn wir nicht immer auf jeden dezidiert eingehen, sehen wir sie alle und ziehen sie zumindest in Erwägung.

Die restlichen Schritte gehen manchmal sehr schnell vonstatten, vor allem, wenn wir bereits ein enges Geschäftsverhältnis zum Ursprungsverlag pflegen, sie können sich aber auch über einen längeren Zeitraum hinziehen. Denn nun schreiben wir ein Angebot für den Lizenzeinkauf, und gerade bei hochkarätigen Projekten kommt es mitunter zu Auktionsrunden mit anderen deutschen Verlagen, oder die Aushandlung der Konditionen benötigt längere Zeit. Aber nach welchen Kriterien wählen wir eigentlich die Comics aus, die es ins Splitter-Programm schaffen? Oder anders herum: Warum verlegen wir nicht einfach alles, was geht? Mehr ist schließlich mehr, oder?

Nur ein winziger Bruchteil aller im Ausland erscheinenden Comics schafft es in den deutschsprachigen Raum. Frankreich, Belgien, die USA und Italien haben umfangreiche Comic-Traditionen und einen enormen Ausstoß an Neuerscheinungen – von Manga/Manhua/Manhwa ganz zu schweigen. Deutsche Verlage sind in der schönen aber auch anspruchsvollen Situation, aus dieser Vielfalt die Sahnestücke herauszupicken. Der härteste limitierende Faktor ist dabei die Produktionskapazität, sprich, wie viele Neuerscheinungen ein Verlag im Monat stemmen kann. Bei Splitter pendelt es sich meistens zwischen 14 und 18 neuen Büchern ein. Diese Grenze hängt von der Größe unseres Teams ab, aber auch von
unserer Druckerei sowie dem Vertrieb, und auch davon, wie viele Bücher man auf den Markt bringen kann, ohne ihn zu übersättigen. Denn der Platz im Comic- und Buchhandel ist nicht unendlich, ebenso wie die Portemonnaies des Kundenstamms nicht unendlich tief sind (auch wenn wir es euch allen wünschen). Innerhalb dieses Spielraums nehmen Fortset-
zungen und Autorenpflege viel Raum ein, denn begonnene Serien wollen zu Ende gebracht werden, und neue Projekte beliebter Künstler*innen haben einen festen Anteil an unserem Programm.

Die begehrten freien Programmplätze müssen daher mit Bedacht gefüllt werden. Dabei spielt zuallererst der Splitter-Qualitätsanspruch eine Rolle: Unser Verlag steht für ein hohes Niveau an Kunstfertigkeit – was nicht bedeutet, dass all unsere Comics demselben Stil folgen müssen. Aber es muss einem Werk anzumerken sein, dass es aus fähiger Hand stammt. Scheinbare Kleinigkeiten wie müheloser Lesefluss, stimmige Koloration und gekonnte Proportionierung von Figuren sind oft die Zünglein an der Waage, die einen Comic disqualifizieren können. Als zweites Kriterium sollte das Werk zu unserer programmatischen Vielfalt passen. Über die Jahre hat fast jedes Genre einen Platz bei Splitter gefunden, und diese Diversität wollen wir bewahren. Es wäre kein Problem, jeden Monat 16 Western-Comics zu veröffentlichen. Aber das wollen – so unser Bauchgefühl – die Wenigsten.

Und schließlich kommt es auf die sonstigen Rahmenbedingungen eines Projekts an – und hier versteckt sich oft der Teufel im Detail. Eine Serie sieht toll aus und liest sich flott, wurde aber vor Jahren bereits auf Deutsch veröffentlicht, abgebrochen und liegt seitdem brach? Unwahrscheinlich, dass sie im zweiten Anlauf mehr Anklang findet als ihrerzeit. Ein US-Comic ist ein »Modern Classic« und wartet auf eine deutsche Version? Englischsprachige Titel konkurrieren mit den günstigen Tradepaperbacks und müssen extrem schnell übersetzt werden, was bereits etablierte Reihen riskant macht. Ein halbobskurer frankobelgischer Klassiker muss unbedingt eine Gesamtausgabe erhalten? Von älteren Werken sind oft keine tauglichen Vorlagen archiviert, sodass es schier unmöglich ist, eine hochqualitative Neuauflage zusammenzustellen.

Diese (zugegebenermaßen ernüchternde) Liste ließe sich fortsetzen, aber das würde ein falsches Bild vermitteln, denn mit Blick auf die Geschichte des deutschsprachigen Comicmarkts lässt sich feststellen, dass es noch nie dermaßen viele breitgefächerte und hochwertige Comic-Publikationen gab wie heute! Auch wenn euer persönlicher Liebling noch kein Zuhause gefunden hat, gibt es nicht nur einen See, sondern Sieben Weltmeere spannender Comics zu entdecken.

Wir hoffen, dieser kleine Blick hinter die Verlagskulissen hat euch gefallen. Wenn ihr Kommentare, Anmerkungen, Fragen, Kritik oder Wünsche an den Splitter Verlag richten möchtet, dann schreibt uns doch: Ihr erreicht uns per E-Mail unter info@splitter-verlag.de oder auf Facebook, Twitter und Instagram @splitterverlag. Wir freuen uns, von euch zu hören!

Euer Splitter-Team