Radius & Digital Comic Art – by radacs



Katrin Gal alias »radacs« ist nicht nur eine ziemlich coole Zeichnerin und Designerin sowie frisch gebackene Bachelor-Absolventin (herzlichen Glückwunsch!), sondern hat auch einen der futuristischsten Zeichenstile in der Szene. Ultramodern, ultradynamisch und ultradetailreich kommen die Panels von Katrins Sci-Fi-Saga Radius daher, und nicht nur wir bei Splitter haben uns gefragt, welche Techniken Katrin für ihre Comics verwendet. Denn Katrin verwendet nicht nur bei ihrer Arbeit als concept designer, sondern auch für ihre Comics 3D-Modelling-Techniken. Das bedeutet, dass sie viele der Hintergründe und Räume, die in den Panels von Radius zu sehen sind, nicht "klassisch" zeichnet, sondern am Computer als dreidimensionales Modell aufbaut, um anhand dieser Vorlage zweidimensionale Zeichnungen anzufertigen, in denen die Figuren agieren.
Klingt kompliziert? Finden wir auch, aber freundlicherweise öffnet Katrin ihren Werkzeugkoffer für uns und euch, und zeigt anhand einiger Beispiele aus Radius und Radius Band 2, wie ihr kreativer Prozess aussieht und wie 3D-Digitalkunst auch das Comic-Machen revolutioniert. Denn JA, digitale Comic-Kunst IST Comic-Kunst, und wie!

HINWEIS: Dieser Artikel ist ein Auszug aus einer Präsentation, die Katrin auf der Leipziger Buchmesse halten wollte. Nach der Absage der Messe ist er nun Teil unseres Messe-Ersatzprogramms Splitter LBM 2.0. Weitere Aktionen und Events rund um Splitter LBM 2.0 findet ihr HIER gesammelt!

(Mit einem Klick auf die Bilder könnt ihr sie vergrößern!)


Der Techroom
Ich brauchte einen großen, lagerartigen Raum mit extrem übergroßen Elementen, die einschüchternd wirken sollten. Die Figuren mussten im Kontrast klein rüberkommen, fast schon unbedeutend. Das wichtigste Element ist der Ventilator: etwas, das Luft filtert und potentiell die gesamte Basis damit versorgt.


Die Szene im Techroom
Vorab habe ich immer schon eine ungefähre Vorstellung von Szene und Location, wenn ich das Storyboard plane (der erste Schritt der Produktion). Anhand dieser Idee entscheide ich, ob ich die Location in 3D modeln werde und welche Blickwinkel ich gebrauchen könnte. Die Ventilatoren (in der ersten Planung waren es noch 3 Stück) waren von Anfang an in das Konzept der Szene integriert und entscheidend für den Plot. Es wäre zu zeitaufwändig gewesen, sie für jedes Panel einzeln zu zeichnen. Außerdem sind Ellipsen, also Auslassungen, in der Perspektive eine echte Challenge!
Im 3D-Model der finalen Szene habe ich die Anfahrtsrampe spontan in eine erhöhte Plattform oder Brücke umgewandelt. Das scheint auf den ersten Blick keine große Änderung zu sein, aber es hatte eine große Auswirkung auf die Handlung: ursprünglich sollte das Shuttle einfach in die Ventilationsanlage reinfahren, aber so konnte es von der Brücke stürzen, was meiner Meinung nach viel epischer ist. Dadurch sind viele neue Panels entstanden, die ganze nächste Seite (unten) wurde nur durch diese kleine, total spontane Änderung beim Modeln möglich!
 

Vorteile von 3D-Modelling
  • Zeitersparnis: Detailreiche Elemente, v. a. Hintergründe zu zeichnen und zu kolorieren ist extrem aufwändig (und vieles davon wird dann noch von Sprechblasen verdeckt). 3D-Modelle brauchen zwar mehr Zeit als Zeichnungen, aber man investiert sie nur ein Mal und kann sie dann langfristig nutzen. Außerdem erspart man sich die Konstruktion von Perspektive-Hilfslinien und vermeidet potentiell auch Konstruktionsfehler.
  • Uneingeschränkte Design-Optionen: Durch "Happy Accidents", wie die Plattform entstehen manchmal ganz unerwartet neue Design-Möglichkeiten, die eventuell ein Problem besser lösen oder neue Wege erschließen. Manche Ideen fallen auch weg, wenn sie sich als dysfunktional erweisen (aus 3 Ventilatoren wird einer). In einem 3D-Modell sind solche Konzeptänderungen schmerzlos. Hätte ich solche Einfälle, wenn die Hintergründe schon von Hand gezeichnet wurden, müsste ich sie neu zeichnen (was Zeit kostet).
  • Innovativer Workflow: Ich überrasche mich selbst gerne beim modeln, ich plane meine Settings zwar ungefähr vor, aber die Details ergeben sich im Prozess, und es ist interessant, das Design währenddessen zu "entdecken". Außerdem macht mir 3D-Modelling persönlich sehr viel Spaß und bringt eine kreative Abwechslung zum Zeichnen. Ebenso finde ich es spannend, die 3D-Ergebnisse mit Zeichnungen so zu verknüpfen, dass es auf den ersten Blick vielleicht nicht auffällt, dass es sich dabei um "CGI" handelt ;) (Computer Generated Images = computergenerierte Bilder, Anm. d. Red.)


Vorteile von 3D-Modelling
  • 3D-Modelle helfen mir auch, mein eigenes (fiktives) Setting besser zu verstehen, die Fortbewegungen meiner Charaktere zu planen und meine Handlung um die "räumlichen Beschränkungen" herum zu organisieren, sodass sich alles realistisch anfühlt.
  • Es ist ein einzigartiges Gefühl, fiktive Räumlichkeiten in ein greifbar erscheinendes Modell zu projizieren und die jahrelang im Kopf lebende Idee endlich dreidimensional zu visualisieren, sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild vom Geschehen zu machen!


Das QUZ (Quellenkontrollzentrum)
Für dieses Setting habe ich mehrere Anläufe gebraucht, es war in den Vorgängerversionen zu brav. Es sollte eher einschüchternd auf den Betrachter wirken, vielleicht auch geheimnisvoll und schwer einschätzbar. Im Kern sollte es eine Überwachungszentrale sein, allerdings eher zivil und wissenschaftlich statt streng militärisch. Es sollte auf keinen Fall laborartig, dennoch geheimnisvoll wirken, weil die Quelle und alles was damit in Verbindung gebracht wird, in der Kultur der Bewohner von Nova etwas Heiliges sind. Ich habe mich für das finale Konzept auf viele Designtheorien gestützt, z. B. für Größenkontraste und Symmetrien, was sich immer positiv auf die menschliche Wahrnehmung auswirkt.


The Firewall
Die Fähigkeiten von Akraia bestehen unter anderem darin, dass sie sich mittels dieser dunklen, organischen Materie mit Technik verbinden kann – indem sie kleine Adern bildet, die in die Systeme fließen. Nur dass diese Adern nicht wie Gefäße aussehen, sondern eine Platinen-Struktur haben. Der Gedanke dahinter kam mir, da mich diese Pfade auf Platinen immer an digitale Adern erinnert haben, nur fließt darin eben kein Blut, sondern elektrische Impulse. Deswegen wollte ich auf der "Wall", die Akraia um den Quellensplitter aufbaut, das Platinenmuster widerspiegeln, als Zeichen dafür, dass sie (wortwörtlich) Hand daran angelegt hat.


Building a Firewall
Die "Wall" sollte ein totaler Blickfang sein und gleichzeitig sehr digital und geometrisch richtig aussehen. Ich hatte zunächst manuell mit verschiedenen Texturen experimentiert, aber das Ganze ist sehr schnell eskaliert, als ich es – zunächst nur zum Spaß – in 3D umgesetzt habe, einfach um auszuprobieren, welche Visualisierungsoptionen sich daraus ergeben könnten. Das offenbarte sich letzten Endes als DIE Lösung! Die Software JSPlacement, die ich dafür verwendet habe, bietet uneingeschränkte Designoptionen für das Generieren von Texturen und ich habe einfach damit herumgespielt, um mich selbst mit dem Resultat zu überraschen.
Die fertige Textur habe ich in Blender weiterverarbeitet und in eine Holokugel umgewandelt und dann gerendert – das Ergebnis passte perfekt zu meinen Anfangsziel, die "Wall" optisch richtig herausstechen zu lassen! Groß, leuchtend, geometrisch und detailreich. Und das Wichtigste: ein reiner Spontaneinfall mit wenig Zeitaufwand! Das finale Resultat seht ihr hier:
 

Wir haben im Verlag schon viel gesehen, aber von Katrin können wir noch eine Menge lernen. Wir bedanken uns sehr herzlich für diesen spannenden Einblick! Wenn ihr einen Einblick in Katrins Arbeit haben möchtet, dann schaut euch ihre Comics Radius Bd. 1 und Radius Bd. 2 an (Leseproben findet ihr auf unserer Website) oder besucht sie direkt im Netz:
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